Liebe Freunde,
wir dürfen auf ein ereignisreiches Aikido-Jahr zurückblicken. Unter all den interessanten Aikido Ereignissen im vergangenen Jahr zählt der Paris-Lehrgang zu Yamada Senseis Jubiläum zu den Highlights.
Dazu gibt es eine nette Anekdote:
Vor Beginn meiner Einheit ging ich zu Yamada Sensei um ihn zu fragen…ah, da muss ich kurz noch weiter zurückgreifen,…New York Aikikai in den frühen 90ern…Yamada Sensei lässt mich, den damals noch relativ jungen Aikidoeleven in sein Büro kommen und eröffnet mir, dass ich die nächste Einheit in seinem Dojo halten solle. In meiner Aufgeregtheit stammle ich „…Sensei do you want me to teach something special?“…Yamada Senseis leicht mürrische Replik…“No Frank, only basics“…das saß. Nur gut, dass Yamada Sensei viel Geduld hat.
Gut, also zurück…Paris 2018,…ich also mal wieder auf dem Weg zu Yamada Sensei, mit der höflichen Frage, ob er nach seinem Training einen bestimmten Wunsch bezüglich meines Trainings hat…“No Frank, it´s your responsibility“. Okay, also starte ich, im Andenken an Tamura Sensei mit der „Ba Duan Jin“ Vorbereitung…atmen, schön ruhig, schön langsam,…woraufhin Yamada Sensei, der noch am Mattenrand stand mir plötzlich zuzischte…“Frank, stopp wasting time, start training“.
Ja, so schnell hat sich vermutlich noch nie jemand durch die acht Brokatübungen geatmet wie ich und die armen 300 Teilnehmer des Lehrgangs…
Früher oder später werden Aikido-Studierende mit dem Konzept des Ichi-go ichi e (一期一会 one time, one meeting) konfrontiert. Um situtionsadäquat handeln zu können, müssen Körper und Geist entspannt sein. Geistige Einschränkungen wie die heutzutage leider wieder salonfähig gewordenen Verführungen der Egozentrik und des Machtstrebens (Derivate aus Gier und Angst), führen zu Unfreiheit und nur scheinbar zu mehr Sicherheit. Wahre Autorität kommt aber nur aus großer Meisterschaft.
Wenn wir das aktuelle Weltgeschehen betrachten, wundern wir uns, wie leicht sich Menschen dazu verführen lassen, anderen Menschen Leid zuzufügen. Ich erinnere mich daran, wie Tamura Sensei den Wunsch äußerte, dass das 21 Jahrhundert der Beginn für ein weibliches Zeitalter werden würde. Leider können wir das noch nicht sehen und müssen auch manchmal im Dojo erkennen, dass Frauen bisweilen eher die schlechten Angewohnheiten der Männer übernehmen. Vermutlich tragen daran wir Lehrer Mitschuld, da uns oft das nötige Feingefühl fehlt.
Das Schärfen unserer Sinne über den Sehsinn hinaus, die aufmerksame Achtsamkeit ist ein wichtiges Element unseres Studiums. Daran hat uns Tamura Sensei erinnert, als er meinte: „Konzentriert euch nicht auf das Sichtbare, im Aikido geht es um das Unsichtbare.“…denn, „Wir trainieren nicht um stark zu werden, sondern wir werden stark dadurch, dass wir trainieren.“
Zum Glück und O Sensei zum Dank haben wir Aikidoka unsere Keiko (z.B. Futsu geiko oder Uchikomi geiko usw.), in dem wir unser Feingefühl üben und unsere Unzulänglichkeiten im Vergleich mit unserer Sempai und Kohai überwinden und an unseren Techniken feilen können. Dabei schärfen wir unsere Sinne, um dem Ichi-go ichi e gerecht zu werden.
Über die geschärften Sinne der Budoka gibt es viele Geschichten. Zum Beispiel die, von drei jungen Aikidoka, die O Sensei eines Tages an seinem allmorgendlichen Weg zum Aiki-Schrein überraschen wollten. Zu diesem Zweck versteckten sie sich, bewaffnet mit ihren Jo´s schon im Morgengrauen in einem Gebüsch neben dem Kiesweg, der zum Schrein führte. Als sie in der Ferne seine Schritte im Kies hörten verlies den ersten der Mut und er stürmte davon. Der kalte Angstschweiß rann den beiden übergebliebenen von der Stirn, als die Schritte O Senseis deutlicher wurden…doch da plötzlich, Ruhe. Langsam entfernten sich die Schritte…
Ein ähnliches Erlebnis, in Bezug auf scharfe Sinne, zumindest was die Menge des Angstschweißes betrifft, hatte ich mit Tamura Sensei in Japan. Als ich eines Nachts in der Vorhandy-Zeit, nach einer feuchtfröhlichen Feier in Tokyo von Yamada Sensei den Auftrag erhielt, Tamura Sensei, der es auf sich genommen hatte, all den guten Wein zu degustieren, den der Keller aufgeboten hatte, und der nach meinem Ermessen stark betrunken sein musste, nach Hause zu bringen, ergab es sich, dass ich in der U-Bahn plötzlich keinen Schimmer mehr hatte, wo wir waren. Sensei schien auf dem U-Bahn-Sessel eingedöst zu sein, während sich in mir schön langsam Panik breit machte. Wie peinlich, wenn ich mich jetzt an die Polizei wenden müsste…Plötzlich, wie aus dem nichts, stand Sensei bei der nächsten Haltestelle auf, stieg aus und ich dackelte hinter ihm, der uns schnurstracks zum Hotel führte, her. Mit seinem üblichen Augenzwinkern verabschiedete er mich in meine verwirrte Nachtruhe.
Ich wünsche Euch ein gutes Neues Jahr und freue mich schon darauf, dass wir gemeinsam bei unserem Keiko unser Feingefühl weiterentwickeln und unsere Sinne schärfen werden.
Auf bald Euer
Frank